Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

Bericht vom BPTK-Symposion „Bedeutung der wissenschaftlichen Anerkennung von Psychotherapieverfahren und Psychotherapiemethoden für Psychotherapeut*innen“

Auf Anregung der Therapieverbände des Gesprächskreises II (GKII)) hat die BPTK mit ca. 100 Teilnehmenden eine mehrstündige Videokonferenz am 19. September 2023 zum Thema Verfahrensvielfalt sowie der wissenschaftlichen Anerkennung von Psychotherapieverfahren durchgeführt.

Schon in ihrer Begrüßung gab Dr. Andrea Benecke, BPTK-Präsidentin, mit dem Hinweis darauf, dass die Legaldiefinition von Psychotherapie im Psychotherapeutengesetz unseres Berufsstandes "unwürdig" sei, ein bemerkenswertes Statement ab. Hierunter ist zu verstehen, dass bei approbierten Ärztinnen und Ärzten angewandte Methoden „qua des ärztlichen Amtes“ als Heilkunde eingestuft werden – bei approbierten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten werden jedoch nur die (aktuell) über den WBP wissenschaftlich anerkannten Methoden und Verfahren als Heilkunde eingestuft.

Cornelia Metge umriss die Aufgaben der nach alter Gesetzeslage zuständigen Landesbehörden. Kammern seien diesen nach neuer Gesetzeslage gleichzustellen. Diese wiederum hätten den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (WBP) als Orientierungsgröße.

Prof. Dr. Bernhard Strauß, Vorsitzender des WBP, skizzierte den aktuellen Entwurf 3.0 des Methodenpapiers, der der reformierten Gesetzeslage des PsychThG entsprechen solle. In diesem Entwurf wird u. a. definiert, welcher Kriterienkatalog an die Anerkennung neuer wissenschaftlcher Verfahren und Methoden angelegt werden soll. Eine zentrale Rolle kommen dabei randomsiert-kontrollierten Studiendesigns (sogn. RCT-Studien) zu.

Jana Lammers, Vorsitzende der Deutschen Psychologischen Gesellschaft für Gesprächspsycho-therapie (DPGG), gab einen kompakten Überblick über das Psychotherapieverfahren Gesprächs-psychotherapie. Diese (der internationalen Entwicklung folgend heute als personzentriert-experienzielle Psychotherapie bezeichnete) Therapieform wurde im April 2023 dem WBP zur erneuten Begutachtung bzw. zur wissenschaftlichen Anerkennung vorgelegt.

Prof. Dr. Cornelia Exner gab einen sehr kompakten Einblick in das Studium der klinischen Psychologie und Psychotherapie der Universität Leipzig. Sie betonte mehrfach die Zielsetzung des Studiums, den Studierenden zu verdeutlichen, dass sie einen heilkundlichen Beruf erlernen. Es solle eine entsprechende Grundhaltung und professionelle Identität erreicht werden, die auf das Patientenwohl fokussiert sei. In Leipzig sei zwar eine klare verhaltenstherapeutische Orientierung dominant, obwohl Studierende v. a. an systemischen Verfahren Interesse zeigten. Gleichwohl würden Grundkonzepte anderer Orientierungen und insbesondere die Auffassung von Carl Rogers in die Ausbildung integriert. Allerdings seien angesichts der Inhaltsfülle und dem Anteil der Lehre in genuin psychotherapeutischem Inhalten von unter 30 Prozent den Möglichkeiten gewisse Grenzen gesetzt. Man könne am Ende der universitären Ausbildung keine "fertigen" Psychotherapeut:innen erwarten. Die Hoffnung aber sei, dass die Absolvent:innen ein Verfahren übergreifendes "Rüstzeug für ersten Tage" mitbekommen würden.

Prof. Dr. Martin Stellpflug widmete seinen Beitrag der Berufsausübung. Heilkunde sei in Deutschland restriktiver geregelt als in anderen Ländern. Im Gegensatz zur Freiheit der Ärzt:innen, die nach ihrer Approbation fast "alles" anwenden dürften, sei die Tätigkeit von approbierten Psychotherapeut:innen auf die wissenschaftlich anerkannte Heilkunde beschränkt. Diese Regelung führe bis zum Paradox, dass die Weiterentwicklung in der Psychotherapie und die praktische Erprobung derselben an/mit Patient:innen nur möglich sei außerhalb des Regelungsbereichs des Psychotherapeutengesetzes und die Zulassung als Heilpraktiker:in erfordere. Ein zweiter Akzent lag auf der Funktion des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), der für die Aufnahme eines Verfahrens in die Patient:innenversorgung zwar die Anerkennung durch den WBP voraussetze, aber selbst weitere Einschränkungen vornähme. Die Situation für Beihilfeberechtigte, Privatversicherte oder Selbstzahler sei im Detail anders gelagert, aber dort gebe es ebenfalls einschränkende Bestimmungen für die Durchführung bestimmter therapeutischer Maßnahmen oder Vorgehensweisen. Auf eine Frage nach der Wirkung unterschiedlicher Weiterbildungsordnungen in verschiedenen Kammern, wies der Referent daraufhin, dass Krankenkassen keine länderspezifischen Regularien kennen würden.

In der abschließenden z.T. sehr kontroversen Diskussionsrunde wurden Auswirkungen der Anerkennung oder Nichtanerkennung wissenschaftlicher Methoden und Verfahren spürbar. Einerseits wurde immer wieder hervorgehoben, dass das deutsche Konzept von Verfahren-Methoden-Techniken der internationalen Diskussion hinterherhinke und der Realität in den Praxen und den alltäglichen Problemstellungen in der ambulanten Therapie nicht gerecht werde – insbesondere nicht in der Arbeit mit Heranwachsenden, wo ein Geflecht unterschiedlicher Akteure im Blick behalten und in die Arbeit einbezogen werden müsse. In Summe gab es deutliche Voten für eine Offenheit allen Verfahren gegenüber (z. B. von der Vertretung der Studierenden, der Psychologischen Fachschaften Konferenz (PsyFaKo). Am kontroversesten zeigte sich die Diskussion bezogen auf die vom WBP noch nicht wissenschaftlich anerkannte Humanistisch-psychologischen Therapie. Hier wurde einerseits vor einer beliebigen "synkretistischen" Therapiekultur gewarnt, bei der alles beliebig vermischt werden könne und die Frage nach der Qualität auftauche. Zum anderen richtete sich die Diskussion gegen die „Dominanz“ von RCT-Studien, die nicht einem umfassenderen Verständnis von "evidenzbasiert" entsprächen und z. B. kontextuelle Faktoren gegenüber verfahrensspezifischen Faktoren  in Deutschland vernachlässigen würden.

Andrea Benecke gab in ihrem Schlusswort die Zusage, dass die BPTK sich den Themen Verfahrensvielfalt  weiter widmen werde – in welcher Richtung dies erfolgen könne, blieb offen.

In Kürze steht die Nachwahl der Mitglieder des Wissenchaftlichen Beirates Psychotherapie (WBP) an, die Verabschiedung des Methodenpaiers 3.0 des WBP sowie die Anpassung der Musterweiterbildungsordnung PP und KJP. Dabei liegt aktuell ein Entwurf der Kommission Weiterbildung der BPtK vor, wonach gesprächspsychotherapeutische Inhalte nicht weiter in der MWBO vorgegeben wird.

Der VPP im BDP hat dabei zu allen drei Prozessen Stellungnahmen bzw. Positionierungen formuliert und an die BPtK bzw. den Gesprächskreis II weitergeleitet. Zentraler Inhalt dabei ist der Erhalt humanistischer Verfahren, speziell der personenzentrierten Psychotherapie in Forschung, Aus- und Weiterbildung sowie Anwendung. 

Roland Raible, Mitglied VPP im BDP e.V. und GwG
Susanne Berwanger, Vorsitz VPP im BDP e.V.